Grundlagen der planerischen Entwicklung

Altes Landgericht vom Niederwall aus gesehen

Die starke wirtschaftliche Entwicklung und die Aufgabenvermehrung bei der Justiz führten zu einem stetig steigenden Raumbedarf, der seinen Niederschlag in den Planungen gefunden hat und in dem Gesamtbaukomplex heute sichtbar ist.

Aber auch der jeweilige Zeitgeist des Städtebaues, der Architektur und der gesellschaftspolitischen Einstellungen sind in den Planungen und Bauten feststellbar.

Nach der Zerstörung und dem Schock der Niederlage trat parallel mit dem Aufbau der Städte eine Denkweise ein, die vom zunächst kleistädtisch maßstäblichen Denken zu Großformen, die bestimmt waren von dem Fetisch Verkehr mit dem Bau breiter Straßen und dem Wirtschafswunderglauben des alles Machbaren, und so zu Maßstabslosigkeit und Selbstüberschätzung führte.

Durch die Niederlage fehlte der Bezug zur Geschichte und trotz der großen Zerstörung das Verständnis für Überkommenes, hier vor allem für die Gestaltungsformen des 19. Jahrhunderts.

Nur bei Kenntnis dieser Ausgangspunkte sind die sich über Jahrzehnte hinziehenden Planungen und die in den verschiedenen Jahren entstandenen Gebäudekomplexe verständlich.

Die Geschichte der Entstehung und Entwicklung der Justizgebäude in Bielefeld

Nach den Befreiungskriegen wurde in Preußen an einer Vereinheitlichung des Gerichtswesens gearbeitet, die 1849 in der Neuordnung der Gerichte ihren ersten Abschluss fand.

5 Kreisgerichte, Bielefeld, Halle, Herford, Lübbecke und Minden wurden im heutigen Landgerichtsbezirk gebildet, denen auswärtige Deputationen angegliedert wurden. Nach Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze wurde 1878 nach zähem Ringen zwischen den Städten Bielefeld, Herford und Minden Bielefeld zum Sitz eines Landgerichts gewählt. Der Bezirk des Landgerichts umfasste die Amtsgerichte Bielefeld, Bad Oeynhausen, Bünde, Gütersloh, Halle, Herford, Lübbecke, Minden, Petershagen, Rahden, Rheda, Rietberg, Vlotho und Wiedenbrück.

Das Land- und Stadtgericht war seit 1821 im Rathaus am Alten Markt untergebracht.

1867 – 1869 wurde an der Detmolder Straße das erste Gerichtsgebäude errichtet, dem 1877 – 1879 ein weiteres an der Gerichtsstraße folgte, das dann das Amtsgericht aufnahm, während das Landgericht in dem Gebäude an der Detmolder Straße residierte.

Das Anwachsen der Bevölkerung und der damit verbundene Anstieg des Geschäftsanfalles führte zum 1. Weltkrieg 1914 – 1917 erstellten Neubau des Landgerichts an der Ecke Niederwall – Detmolder Straße.

Die alten Gerichtsgebäude standen nun allein dem Amtsgericht zur Verfügung und wurden als Amtsgerichtsgebäude I und II bezeichnet.

In den Jahren 1875 – 1879 wurde zwischen diesen beiden Gebäuden an der Gerichtsstraße die Haftanstalt errichtet.

Das Landgericht mit den Gebäuden der Amtsgerichte und der Haftanstalt bildete so bereits vor dem 2. Weltkrieg ein Justizzentrum östlich der Altstadt gelegen und eingebunden in die Bebauung der Gründerzeit.

Das Amtsgerichtsgebäude von 1867 – 1869 ist ein eindrucksvoller dreigeschossiger Baukörper mit leicht vorgezogenem Mittelrisalit. Die Ziegelarchitektur mit romanisierenden Rundbogenfenstern wird bereichert durch eine zurückhaltende Werksteingliederung, mit säulengerahmten Werksteinportal und bekrönt durch einen steinernen preussischen Adler.

Eine säulengegliederte Eingangshalle und das zentrale Treppenhaus in klassizistischem Stil bestimmen das Innere des Gebäudes.

Das 1877 – 1878 errichtete Amtsgerichtsgebäude war ebenfalls ein Ziegelbau mit einem Mittelrisalit, romanisierenden Rundbogenfenstern und Werksteinsäulen aus Teutoburger Sandstein. Es war ein zweiflügeliger Bau, zurückhaltender und bescheidener als sein als Landgericht errichteter Vorgängerbau, aber von guten Proportionen.

Das Landgericht von 1914 – 1917 ist ein stattlicher Gebäudekomplex mit hohem Volutengiebel zum Niederwall, mit seitlich angeordneten Treppentürmen und zur Detmolder Straße gegliedert mit Risalitzwerchgiebeln. Bekrönt wird das Gebäude durch einen Dachreiter. Es ist im Stil der Neurenaissance in Anlehnung an die Weserrenaissance und mit Jugendstilformen vermischt errichtet.

Die Wandflächen sind verputzt. Die Architekturelemente im Werkstein, Muschelkalk, erstellt und zum Teil mit Plastiken geschmückt.

Hervorzuheben ist die Figur der Justitia von dem Bielefelder Bildhauer Guntermann. Eine repräsentative Treppe erschließt den dreigeschossigen Saalflügel mit seinen Hallen, die mit einer reichen Jugendstilausmalung und gestalteten Glasfenstern, figürlich ornamental von Prof. Muggly ausgestaltet waren.

Nach Norden ergänzte ein Nebenflügel mit einem Volutengiebel den Gebäudekomplex.

Die kleinteiligen Fachwerkeinheiten der ehemaligen Kreuzstraße standen vor dem Krieg in einem maßstäblichen Gegensatz zu diesem Repräsentativbau.

Der Ulmenwall, jetzt Niederwall, mit seiner prächtigen Baumallee stellte die Verbindung zum neuen Rathaus und Theater her, einem Neurenaissancebau von 1904 und einem Jugendstilbau.

Im 2. Weltkrieg wurde die Altstadt von Bielefeld stark zerstört. Fast alle Fachwerkhäuser der Stadt wurden vernichtet. Die Stadt verlor ihr Gesicht und der Maßstab veränderte sich.

Die Gerichtsbauten entgingen im Wesentlichen der Zerstörung. Luftminen hatten die Fenster und Dächer zerstört und Brandbomben weiter Schäden in dem Dachboden angerichtet. Doch die Grundsubstanz war erhalten. Die Haftanstalt hatte durch Bomben starke Schäden erlitten.

Die Schäden konnten der Zeit entsprechend bald behoben werden und die Gerichte so in ihnen die Arbeit weiterführen.

Bald zeichnete sich durch den starken Bevölkerungsanstieg der Stadt und ihres Umlandes und dem damit verbundenen Anstieg der Aufgabenbereiche der Gerichte ein ständig zunehmender Raumbedarf ab, der durch unzählige Anmietungen behoben wurde, letztliche aber zu den Erweiterungs- und Neubauplänen der Justiz führte.